Im Berufsbildungsgesetz (BBiG) besteht bereits seit 2005 die Möglichkeit für duale Berufsausbildungen, die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit im Betrieb zu reduzieren. Zunächst bestand diese Option nur für einen eingeschränkten Personenkreis, mit der BBIG-Novelle ist sie seit dem 01. Januar 2020 auf alle Ausbildungsinteressierten ausgeweitet worden.
Aber für wen ist eine Ausbildung in Teilzeit eigentlich sinnvoll oder vielleicht die einzige Möglichkeit, eine Ausbildung zu absolvieren?
Zum Beispiel, wer kleine Kinder hat, deren Betreuungszeiten durch die Ausbildungszeit nicht abgedeckt werden, profitiert besonders von der Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung. Überwiegend diese Zielgruppe hat bisher auch die Option der Teilzeitberufsausbildung in Anspruch genommen.
Ella beginnt im August eine Berufsausbildung zur Elektronikerin
Regeldauer: 3,5 Jahre
„Ich habe die Zusage über einen Kita-Platz ab August. Da die Betreuung nur bis 15.00 Uhr geht, haben wir vereinbart, dass ich täglich 6 statt 8 Stunden im Betrieb bin.
Der Grund für die Ausbildung in Teilzeit ist die Betreuung meiner Kinder.
Deshalb konnte ich beantragen, dass die Ausbildungsdauer bei 42 Monaten bleibt.“
Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kann es möglicherweise ebenfalls sinnvoll sein, die tägliche Ausbildungszeit zu reduzieren, um Überforderungen zu vermeiden.
Lisa beginnt eine Berufsausbildung zur Industriekauffrau
Regeldauer: 3 Jahre
„Ich war an einer Depression erkrankt und möchte derzeit lieber nur 6 Stunden statt 8 Stunden im Betrieb arbeiten. So kann ich sicherstellen, mich nicht zu überfordern.
Meine Berufsausbildung verlängert sich dadurch um ein Jahr.“
Ist man durch die Pflege von Angehörigen zeitlich eingebunden, kann auch hier eine Ausbildung in Teilzeit Entlastung bringen oder ggf. auch die einzige Möglichkeit der Ausbildung sein.
Aber Teilzeit muss nicht in jedem Fall für die gesamte Ausbildung realisiert werden. Vielleicht muss man die Pflege eines Angehörigen sicherstellen, bis ein Pflegedienst das dann übernehmen kann. Dann spricht man mit seinem Betrieb ab, die Ausbildung in den nächsten 6 Monaten in Teilzeit zu absolvieren. Danach kann es dann in Vollzeit weitergehen.
Paul macht seit einem Jahr eine Berufsausbildung zum Augenoptiker
Regeldauer: 3 Jahre
„Ich konnte mit meinem Betrieb vereinbaren, dass ich die nächsten 6 Monate meine wöchentliche Arbeitszeit um 50% reduziere. Danach setze ich meine Berufsausbildung in Vollzeit fort. Insgesamt dauert dann meine Ausbildung 3 Jahre und 3 Monate.“
Auch für geflüchtete Menschen, die z.B. parallel noch Sprachkurse belegen, kann die Teilzeitberufsausbildung eine sinnvolle Option darstellen.
Baschar macht eine Berufsausbildung zum Tischler
Regeldauer: 3 Jahre
Baschar verbessert seine Sprachkenntnisse neben der Ausbildung zum Tischler. Er hat dafür seine wöchentliche Ausbildungszeit auf 80% reduziert, um Zeit für den Sprachkurs zu haben. Die Berufsausbildung verlängert sich somit um 9 Monate.
Wichtig ist, die Teilzeitabsprache gilt immer nur für den betrieblichen Teil der dualen Ausbildung.
Der Umfang des Berufsschulunterrichts wird nicht reduziert. Für die Organisation des berufsschulischen Teils ist immer eine Absprache mit der Berufsschule erforderlich.
Hier ist die Handhabung der Teilzeitberufsausbildung in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich.
Eine frühzeitige Kontaktaufnahme und eine enge Abstimmung zwischen Betrieb, Auszubildende*r und Berufsschule sind ratsam.
Hasret macht eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin
Regeldauer: 3 Jahre
„Ich habe jeden Tag Training. Deshalb kann ich nur 4 statt 8 Stunden für meinen Ausbildungsbetrieb arbeiten. Dadurch verlängert sich meine Ausbildung auf 4 ½ Jahre. Mit Hilfe meiner Teilzeitberufsausbildung habe ich ein zweites Standbein.“
Als maximale Verkürzung sind bis zu 50% der täglichen oder wöchentlichen Ausbildungszeit möglich. Dies immer in Bezug auf eine Vollzeitausbildung.
In der Regel verlängert sich dadurch die Dauer der Ausbildung entsprechend auf das maximal 1,5fache der regulären Ausbildungsdauer.
Auch die Ausbildungsvergütung kann sich hierdurch entsprechend verringern. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass in einigen Fällen dennoch die Ausbildungsvergütung in der gesamten Höhe bezahlt wird, weil sie im Vergleich zu einem ordentlichen Entgelt ohnehin vergleichsweise gering ist.
Farah macht eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten
Regeldauer: 3 Jahre
„Ich reduziere meine wöchentliche Ausbildungszeit auf 60% an 4 Tagen in der Woche. Die Berufsausbildung geht jetzt zwar 4 ½ Jahre, aber das ist ok. So kann ich nebenher noch als Nachhilfelehrerin arbeiten und mir mein Azubigehalt aufbessern.“
Es gibt zum Beispiel einfach mehr Ausbildungsoptionen.
Alle anerkannten dualen Ausbildungsberufe, die nach dem Berufsbildungsgesetz geregelt sind, können in Teilzeit absolviert werden.
Die Teilzeitberufsausbildung ist in §7a BBiG geregelt, für das Handwerk gilt inhaltsgleich §27b der Handwerksordnung (HwO).
Und grundsätzlich ist jede duale Berufsausbildung in Teilzeit möglich, ob im kaufmännischen, sozialen, medizinischen Bereich, im Handwerk oder in der Industrie.
Schulische Ausbildungsgänge sind nicht dabei. Es geht hier „nur“ um duale Ausbildungsgänge. Schulische Berufsausbildungen können zwar grundsätzlich auch in Teilzeit realisiert werden, unterliegen aber anderen rechtlichen Regelungen.
Es gibt zurzeit keinen Anspruch auf Teilzeitausbildung. Sie ist aktuell nur in Absprache mit dem Betrieb und auf Antrag bei der zuständigen Kammer möglich.
Durch die Teilzeitberufsausbildung kann langfristig eine eigenständige Existenzsicherung möglich werden. Während der Ausbildung wird eine angemessene Ausbildungsvergütung gezahlt und unter bestimmten Voraussetzungen kann man währenddessen zusätzlich Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, Wohngeld oder Bürgergeld haben.
Der Abschluss einer Ausbildung in Teilzeit ist ein vollwertiger Berufsabschluss.
Er unterscheidet sich nicht von einem Abschluss einer Ausbildung in Vollzeit. Absolvent*innen in Teilzeit haben somit dieselben Zukunfts- und Karriere-Chancen!
Durch die Teilzeitberufsausbildung erhalten zum Beispiel auch Personen mit familiären Verpflichtungen eine Chance auf eine Erstausbildung, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes beiträgt.
Mit der Möglichkeit der Teilzeitberufsausbildung ist eine höhere Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verbunden. So können beispielsweise auch bereits bestehende Ausbildungsverhältnisse in Teilzeit umgewandelt werden. Für die gesamte verbleibende Restdauer oder für eine bestimmte Zeit. Eine Vollzeitausbildung kann also in Teilzeit fortgesetzt werden.
Dies ist z. B. möglich, wenn eine Ausbildung durch Elternzeit unterbrochen wurde. Somit lässt sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser gewährleisten! Selbstverständlich ist demnach auch ein Wechsel von einer Teilzeit- in eine Vollzeitausbildung möglich.
Arbeitgeber, die die Ausbildung auch in Teilzeit anbieten, werden für Bewerber*innen interessant, für die nur eine Teilzeitausbildung in Frage kommt. Die Teilzeitberufsausbildung kann somit zur Fachkräftegewinnung und Vergrößerung des Potenzials dienen, aus dem Arbeitgeber ihre zukünftigen Fachkräfte generieren können.
In Teilzeit ausbildende Unternehmen profitieren aufgrund ihres sozialen Engagements vom Imagegewinn. Sie gelten als familienfreundlich und sind daher attraktive Arbeitgeber für künftige Auszubildende und qualifizierte Fachkräfte.
Menschen mit Familienverantwortung sind zudem häufig besonders motiviert und selbständig und zeichnen sich durch ein Plus an Lebenserfahrung aus.
Wenn Sie ein Ausbildungsbetrieb, insbesondere ein kleines mittelständisches Unternehmen sind, erhalten Sie mit der Teilzeitberufsausbildung die Möglichkeit, die Präsenzzeit der AZUBIS pro Tag im Betrieb mit ihren eigenen täglichen Arbeitsanforderungen besser zu kombinieren.
Bei der oft schwierigen Suche nach geeigneten Auszubildenden können Sie durch die Möglichkeit der Teilzeitausbildung einen größeren Interessent*innen- und Bewerber* innenkreis ansprechen.
Durch die reduzierte wöchentliche Ausbildungszeit verringert sich die monatliche Vergütung entsprechend. Der Betrieb wird finanziell weniger stark belastet.
Statistiken zeigen, dass Auszubildende in Teilzeit dem Ausbildungsbetrieb länger erhalten bleiben als Auszubildende in Vollzeit. Sie wissen das Engagement des Unternehmens zu schätzen und identifizieren sich im besonderen Maße mit dem Ausbildungsbetrieb. Somit ist Teilzeitberufsausbildung auch ein Instrument der Fachkräftebindung.
Wird eine Vollzeitausbildung durch persönliche Lebensumstände gefährdet, kann die Ausbildung im Rahmen eines Teilzeitmodells fortgeführt werden. Dieses Vorgehen trägt zur Fachkräftesicherung im eigenen Unternehmen bei.
Beim Zeitraummodell wird nur ein Teil der Ausbildung in Teilzeit durchgeführt, der restliche Teil der Ausbildung erfolgt in Vollzeit.
Grundsätzlich verlängert sich die Ausbildungsdauer bei einer Teilzeitberufsausbildung. Es gibt aber auch Gründe und Möglichkeiten der Verkürzung.
Die Verlängerung der Ausbildungsdauer erfolgt in einem vierschrittigen Verfahren:
Aber es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ausbildungsdauer zu verkürzen:
Die Ausbildungszeit kann reduziert werden, wenn davon ausgegangen werden darf, dass das Ausbildungsziel auch in der kürzeren Dauer erreicht werden kann.
Sie haben noch Fragen?
Zum Thema „Teilzeitberufsausbildung“ beraten die Beauftragten für Chancengleichheit, die Berufsberatungen der Agenturen für Arbeit, die Ausbildungsberater*innen der Kammern, die Arbeitsvermittler*innen in den Agenturen für Arbeit und in den Jobcentern, die Regionalagenturen und Bildungsträger sowie Wirtschafts- und Wohlfahrtsverbände.
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